TV-Spot auf Kosten der blinden Frauen

14.11.2011


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Der Österreichische Blinden- und Sehbehindertenverband (ÖBSV) möchte wegen der heute startende TV-Kampagne „Sinnlichkeit die man fühlt“ des Wäscheherstellers Palmers Beschwerde beim Österreichischen Werberat einlegen. In dem Spot kleidet sich eine junge Dame mit Dessous an. Als sie die Straße betritt, hat sie eine dunkle Sonnenbrille auf und einen Blindenstock in der Hand. Behinderung wird bei dieser Werbung missbraucht, um „Aufsehen zu erregen“ und „für Gesprächsstoff sorgen“ (Zitate aus einer Presseaussendung der Firma Palmers). Blindheit wird in diesem Werbespot auf sexistische Art und Weise dazu missbraucht, um den Verkauf von Produkten anzukurbeln. Die größte Selbsthilfeorganisation für blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen in Österreich sieht darin den Punkt 5 der allgemeinen Werbegrundsätze des Werberates verletzt, in dem es heißt: „Werbung darf nicht die Würde des Menschen verletzen, insbesondere durch eine entwürdigende Darstellung von Sexualität oder anderweitig diskriminierende Darstellungen.“ Die Palmers-Werbung verletzt die Würde von behinderten, im vorliegenden Fall blinden Frauen und diskriminiert diese! Ganz besonders sind wir über die Behauptung der Palmers-Marketingleiterin, dass „eine blinde Frau in erster Linie nicht blind, sondern Frau sei“, entsetzt. Mit dieser Aussage wird das Recht auf Selbstbestimmung grob verletzt. Wie kann eine sehende Person darüber befinden, wie es einer blinden Frau geht, wie diese sich fühlt? Das kann wohl nur eine Betroffene selbst feststellen. Wir sehen darin eine massive Diskriminierung des Artikels 6 der UN-Behindertenrechtskonvention, die auch in Österreich geltendes Recht ist. Unter der Überschrift „Frauen mit Behinderungen“ heißt es darin: „Die Vertragsstaaten (und damit auch Österreich, Anm.) anerkennen, dass Frauen und Mädchen mit Behinderungen mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt sind, und ergreifen in dieser Hinsicht Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass sie alle Menschenrechte und Grundfreiheiten voll und gleichberechtigt genießen können.“ Offensichtlich ist die Firma Palmers falsch beraten worden. Denn auch die Werbeaussagen, der Qualitätsanspruch an die Wäsche sei bei blinden Menschen „sehr hoch“ und werde durch „ein Stück leistbarer Luxus“ von Palmers befriedigt, ist ein Skandal. Gerade blinde Frauen leben in unserer heutigen Gesellschaft nicht selten an der Armutsgrenze und können sich derartige Produkte nicht im Entferntesten leisten. Das Model spielt lediglich eine blinde Frau, sie ist selbst sehend. In der TV-Kampagne wird ein völlig verdrehtes, unrealistisches und damit diskriminierendes Bild über blinde Menschen erzeugt, nur um in die Schlagzeilen zu kommen, nicht um den Betroffenen zu helfen. IM ÜBRIGEN MÖCHTEN WIR ANREGEN, DIE DISKRIMINIERUNG VON BEHINDERTEN MENSCHEN ALS "TATBESTAND" IN IHRE WERBEGRUNDSÄTZE AUFZUNEHMEN!


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Entscheidung:
Der Österreichische Werberat sieht im Falle des TV – Spots von Palmers keinen Grund zum Einschreiten.

Begründung:
Die Mehrheit der Werberäte sieht keine Verletzung des SBK hinsichtlich des Artikels 1.5 Allgemeine Werbegrundsätze („Werbung darf nicht die Würde des Menschen verletzen, insbesondere durch eine entwürdigende Darstellung von Sexualität oder anderweitig diskriminierende Darstellungen.“) sowie 1.2.1 Ethik und Moral („Werbung hat die Achtung der menschlichen Würde und Unversehrtheit der Person zu garantieren und darf diese nicht verletzen.“).

Es ist kein Verstoß zu erkennen, da weder die Menschenwürde verletzt wird, noch eine spezifische Diskriminierung oder unangemessene Nacktheit zu erkennen ist.
Vielmehr kann man den Spot dahingehend  verstehen, dass das Image der vermeintlich betroffenen Gruppe der sehbehinderten Frauen aufgewertet wird. Es wird  eine selbstbewusste blinde Frau zeigt,  die wie jede andere Frau am Leben teilnimmt.

Es konnte auch nichts Verwerfliches daran erkannt werden, den ausgeprägten Tastsinn einer blinden Frau heranzuziehen, um die hohe Produktqualität von Wäsche zu verstärken.

Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass der TV – Spot unter Miteinbeziehung der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs gestaltet wurde, sieht der Österreichische Werberat keinen Grund zum Einschreiten.