Bordellwerbung auf Kleinkinder-Augenhöhe vor Wiener Schulen und Kindergärten

11.09.2014


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Sehr geehrte Damen und Herren, ich schreibe Ihnen im Namen einer guten Freundin, deren Tochter seit einigen Tagen auf dem Weg in die Volksschule an Plakaten wie demjenigen vorbeigeht, dessen Foto ich Ihnen im Anhang zukommen lasse. Die Plakate in unmittelbarer Nähe zur Schule meiner Freundin befinden sich an den Ecken Auhofstr./Fleschgasse, Aufhofstr./St.Veit-Gasse, Auhofstr./Hügelgasse, sind aber nur einige der im ganzen Bezirk vorhandenen. Das hier fotografierte Plakate befindet sich in unmittelbarer Umgebung von drei Schulen und zwei Kindergärten. Bei aller uns allen bereits aufgezwungener Abstumpfung gegenüber allen (Ab-)Arten zutiefst sexistischer und misogyner Werbung für Produkte aller Art muss ich als Bewohnerin dieser Stadt doch feststellen, dass es seit einiger Zeit eine neue Qualität in der Ungeniertheit und offensichtlich präsumierten Normalität von Darstellungen geht, die den möglichst idealverkrüppelten (angeblich noch) weiblichen Körper nicht nur als Mittel zum Zweck zum Verkauf irgendwelche Konsumgüter missbrauchen, sondern deren Ziel tatsächlich die Anpreisung des Kaufs zum gefälligen Ge- und Missbrauch eben dieser realen Körper und der unbequemerweise auch noch daranhängenden Menschen ist. Dass das gezeigte Sujet in der traurigen Realität unserer Tage in Bezug die konkrete visuelle Ausbeutung des weiblichen Körpers (i.e. nackte Haut und demütigende Posen) weniger krass ausfällt als die durchschnittlichen Joghurtwerbung, macht es natürlich um nichts tragbarer, sondern in seiner schlichten Eindeutigkeit noch ekelhafter und ablehnenswerter. Die (in diesem Fall offensichtlich auch noch illegale) „Nutzung von Werbeflächen“ geschieht mittlerweile im öffentlichen Raum in (zufälliger?) unmittelbarster Nähe zu Schulen und Kindergärten und - siehe Fotos - auf unmittelbarster Augenhöhe von Fünf- bis Zehnjährigen, die damit schon in der schön lernfähigen Phase die richtige Botschaft vermittelt bekommen - Tenor: Liebes Kind: Das hier ist eine Frau. So eine wirst Du auch mal sein. Eine Frau ist: F---fleisch. Eine Frau kann mann kaufen. Das ist ganz normal und schön so und Deine LehrerInnen, KindergärtnerInnen, Eltern, NachbarInnen haben auch ganz und gar nichts dagegen, weshalb Du die entsprechenden Plakate auch allerortens in Deiner schönen Stadt findest, und auch noch so hübsch platziert, dass Du sie keinesfalls übersehen kannst. Was Mädchen und Bub nicht lernen, lernen Frau und Mann schließlich nimmermehr (oder nur mit fester und engagierter Nachhilfe der Porno- und Prostiutionsindustrie)! Öffentllichkeit ist für diese barbarische Vergewaltigung und frühestmögliche und immer ungeniertere Verformung des Geschlechterbildes und sexuellen Imaginariums selbst der jüngsten der großen Söhne und Töchter dieses Landes ist mehr als überfällig. Mir wäre darüber hinaus aber sehr an einem ernstzunehmenden Diskurs zum Thema gelegen, in dem ernstzunehmend über diese großartige neue "Freiheit" der milliardenschweren Sex- und Menschenhandelsindustrie gesprochen wird und die auf Seiten derer, die es wagen, solch schmutzige Worte wie Ausbeutung, Herrschaftsverhältnis, Menschen- inklusive Frauenwürde (iiih!) und Erziehung zur Partnerschaftlichkeit (bäääh!) in den Mund zu nehmen, nicht nur das Recht zu schweigen beinhaltet. Die Arbeit von Organisationen wie Stop Porn Culture Deutschland und die Publikation von Gail Dines' "Pornland" nun endlich auch im deutschsprachigen Raum sind natürlich eindeutige Schritte in die Richtung dieser längst mehr als überfälligen Debatte, für die es tatsächlich schon 20 nach 12 ist. Sie haben als Werberat eine wichtige Verantwortung, diesen zaghaft beginnenden Diskurs zu unterstützen. In Bezug auf die Fotos im Anhang sind die betroffenen Schulen bzw. Kindergärten übrigens: GEPS Global Education Primary School, Auhofstr. 49, Friedrich Eymann Waldorfschulen (VS ist im gleichen Haus wie GEPS, Oberstufe auf der anderen Straßenseite); Waldorfkindergarten (Auhofstr. 78a ) und gleich daneben der Kindergarten "Kinderwelt Hietzing".


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Entscheidung:
Der Österreichische Werberat spricht im Falle des beanstandeten Plakats des Unternehmens Bar Schönbrunn, die Aufforderung in Zukunft bei der Gestaltung von Werbemaßnahmen oder einzelner Sujets sensibler vorzugehen aus.

Begründung:
Die Mehrheit der Werberäte und Werberätinnen sind der Auffassung, dass die beanstandete Werbemaßnahme hinsichtlich des Ethik-Kodex der Werbewirtschaft, konkret Artikel 1.1 „Allgemeine Werbegrundsätze“ und 2.1 „Geschlechterdiskriminierende Werbung“ nicht sensibel genug gestaltet wurde.

Die Bewerbung eines Bordells ist grundsätzlich zulässig. Dass im gegenständlichen Sujet sexuelle Dienstleistungen beworben werden, kann nicht eindeutig festgestellt werden. Es könnte sich auch um die Ankündigung von Tanzdarbietungen handeln. Zwar sind die beiden Frauen spärlich bekleidet, aber eine rein sexualisiert Darstellung liegt gerade noch nicht vor, wenn gleich es sich um einen Grenzfall handelt.
Zu beanstanden ist viel mehr, dass bei der Platzierung der Werbesujets auf das Umfeld (Schulen, Kindergarten, Wohnbereiche, öffentlicher Raum) zu achten ist.
Jedoch müssen sämtliche Werbemaßen auch den sonstigen gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Sogenanntes "wildes Plakatieren" - wozu auch das Anbringen von Nachrichten und dergleichen auf dafür nicht vorgesehene und behördlich nicht genehmigte Flächen zählt - stellt eine Verletzung von Gesetzen bzw. Verordnungen dar. Die Empfehlung der Werbeplatzierung wäre, solche Medien zu wählen, die die schwerpunktmäßig von Menschen frequentiert werden, welche an sexuellen Dienstleistungen interessiert sind.


Im Detail wurden folgende Bestimmungen des Ethik-Kodex nicht berücksichtigt:

1.1 „Allgemeine Werbegrundsätze“

Werbung trägt somit soziale Verantwortung und muss auf die Rechte, Interessen und Gefühle von Einzelnen und Gruppen von Menschen Rücksicht nehmen.

1.1.1. Werbung soll vom Grundsatz sozialer Verantwortung geprägt sein, insbesondere gegenüber Kindern und Jugendlichen vor dem vollendeten 18. Lebensjahr.
und


1.2 „Ethik und Moral“

      Werbung trägt soziale Verantwortung.

1.1. Werbung hat die menschliche Würde und Unversehrtheit der Person zu achten und darf   
       diese nicht verletzten.

und

2.1 „Geschlechterdiskriminierende Werbung“

      Werbung darf nicht aufgrund des Geschlechts diskriminieren.
     Geschlechterdiskriminierende Werbung (sexistische Werbung) liegt insbesondere vor,   
     wenn,

a) Frauen oder Männer auf abwertende Weise dargestellt werden;
b) die Gleichwertigkeit der Geschlechter in Frage gestellt wird;

Hinweis: Eine nicht unerhebliche Anzahl der Werberäte und Werberätinnen sah in dem beanstandeten Werbesujet die Aufforderung zum sofortigen Stopp der Kampagne bzw. sofortigen Sujetwechsel gegeben. Aufgrund dessen rät die Geschäftsstelle des Werberates dringend zur Änderung der Werbemaßnahme.